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«Mein Business ist sehr bernerisch»

Publiziert: 04.04.2025

Schon beim Betreten des Parfumateliers «HeyKLARA» in der Unteren Berner Altstadt empfängt einen eine Woge vielfältiger Aromen. Seit letztem Herbst führt Nicole Walker das charmante «Lädeli» (Laden) an der Rathausgasse 49. Die Kommunikationsspezialistin hat sich mit diesem kleinen, eigenen Geschäft einen lang gehegten Traum erfüllt. Nach Weiterbildungen in Grasse und Paris und intensivem Training ihres Geruchsinns, berät sie nun sowohl Einheimische als auch Besucher:innen der Stadt.

10 Fragen und 10 Antworten

1. Wie duftet die Stadt Bern?

Bern duftet lebendig und aromatisch. Besonders wenn ich an die Gassen der Altstadt denke. Oft steigt mir dieser erdige, mineralische Geruch der Sandsteinmauern in die Nase – etwas Beruhigendes, fast Zeitloses. Dazu kommt das Blumige – zart und einladend, angelehnt an die Rosen im Rosengarten. Und nicht zuletzt die grüne Frische: dieses aquatische Gefühl, das die Natur mitten in der Stadt verströmt. Die Aare bringt diese klare, lebendige Note mit sich, die Bern so einzigartig macht.

2. Wieso begeistern Sie sich für Parfüm?

Parfüm fasziniert mich auf vielen Ebenen. Es ist sinnlich, emotional – ein Duft kann Erinnerungen wecken, Stimmungen erzeugen, Atmosphäre schaffen. Düfte begleiten uns durchs Leben, oft unbewusst, und sind dennoch tief mit Erlebtem verknüpft.

Gleichzeitig bringt das Riechen eine Ruhe in unsere Welt voller Reize und Geschwindigkeit. Man kann nicht nebenbei riechen, es braucht Aufmerksamkeit, Präsenz. Hinzu kommt der faszinierende Prozess, den Geruchssinn zu verfeinern – die Nase zu trainieren, Unterschiede zu erkennen und Neues gezielt zu erschnuppern.

Nicole Walker hat das Atelier von Brigitte Witschi (Art of Scent) übernommen. Die Berner Parfumeurin ist unter anderem bekannt für den Duft «Aarewasser», der in unserem Webshop erhältlich ist und den sie als Ode an Bern entworfen hat. Nach über zehn Jahren an der Rathausgasse stand die Pension vor der Türe und sie suchte eine Nachfolge für ihr Atelier. Mit Nicole Walker hat sie ein Pendant gefunden, das ihre Duftfaszination teilt und weiterführt, was sie liebevoll geschaffen hat.

3. Wieso passt Ihr Business in die Stadt Bern?

Mein Business ist sehr bernerisch – stark von Entschleunigung geprägt, vom bewussten Wahrnehmen und Innehalten. Genau das bietet auch die Stadt: sie tritt nicht laut auf, sondern überzeugt mit Ruhe, Schönheit und Charakter. Viele meiner Workshop-Teilnehmenden kommen aus Städten wie Zürich, Winterthur oder Luzern – und oft beginnt das Erlebnis schon mit der Anreise. Der Weg durch die Altstadt, über das Kopfsteinpflaster, vorbei an Sandsteinfassaden, runterfahren, ankommen. Bern bringt einen automatisch raus aus der Hektik. In Bern fällt es leicht, langsamer zu werden

4. Woher der Name für Ihr Atelier «HeyKLARA» – Sie heissen doch Nicole?

Ich habe meinem Atelier den Namen meiner Grossmutter gegeben – sie hiess Klara.

Dufterinnerungen sind für mich ein spannendes Thema, und oft entstehen in meinen Workshops richtig emotionale Gespräche darüber. Viele Menschen erzählen, an welche Düfte aus ihrer Kindheit sie sich erinnern. Und wenn jemand mal meint, nichts in der Richtung zu haben, frage ich gerne: Wie hat es bei deinem Grosi gerochen? Da kommt bei den meisten eine Erinnerung auf. Auch ich erinnere mich an Düfte aus dem Hause meiner Grosseltern. Ausserdem hat mir meine Grossmutter von ihrer Art her viel mitgegeben. Sie war zwirbelig, unternehmenslustig – genau wie ich. «Klara» allein war mir aber zu sec. Also habe ich nach einem spritzigen Zusatz gesucht. Auf das «Hey» bin ich durch den Song «Hey Fredy» von Stop The Shoppers gekommen.

5. Immer schon davon geträumt, ein eigenes «Lädeli» zu haben?

Ich habe mich schon einmal selbstständig gemacht – mit einer Kommunikationsagentur. Das hat mir sicher geholfen, den Mut zu finden, es noch einmal zu wagen. Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Ausserdem habe ich vor langer Zeit das Wirtepatent gemacht. Ein eigenes Restaurant zu führen war lange ein Traum von mir. Gastgeberin sein – das hat mich immer fasziniert. Menschen verwöhnen, schöne Begegnungen erleben, mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten in Kontakt kommen – das bedeutet mir viel.

Mit dem Atelier habe ich eine andere Form der Gastfreundschaft gefunden – ruhiger vielleicht, aber genauso herzlich.

«Es war, als hätte sich die Kundin selbst in dieses kleine Fläschchen hineingepackt. Ein Gänsehautmoment.»
Nicole Walker

6. Wie wurden Sie in der Unteren Altstadt aufgenommen?

Ich bin gut in der Rathausgasse angekommen. Es fühlt sich an wie Quartierleben. Wenn man privat zügelt, kennt man das ja: Man lernt die Nachbar:innen kennen, kommt ins Gespräch. Dass das auch mit einem Laden so passiert, hätte ich nicht gedacht. Die Leute kommen auf einen Schwatz vorbei, winken rein oder interessieren sich einfach für mein Business.

7. Was ist das Spezielle an Ihrem kleinen Geschäft?

Der Offenverkauf von Parfum ist ein einzigartiges Angebot. Die Kund:innen können bei mir verschiedene Düfte aus einheitlichen Glasflaschen riechen und sich von der Nase anstatt von Marken und Verpackungen leiten lassen. Ihr Lieblingsparfum lassen sie sich dann direkt vor Ort abfüllen. Dazu kommen die Workshops – auch diese bieten nur wenige an. Dabei entstehen oft besondere Duftmomente und persönliche Gespräche über Erinnerungen und Wahrnehmung.

Und ein kleiner, lustiger Nebeneffekt: Meine Vermieterin über dem Atelier weiss jeweils sofort, wenn wieder Workshop-Zeit ist – die Düfte steigen nach oben und erfüllen auch ihre Räume mit neuen Kreationen.

8. Ihr Business besteht aus Direktverkauf, aber vor allem auch aus Workshops?

Der Reiz liegt darin, ein Parfum zu kreieren, das es so nur einmal auf der Welt gibt – den ganz persönlichen Duft. Gleichzeitig steht das gemeinsame Erlebnis im Vordergrund. Oft kommen Paare, Mutter und Tochter oder Sohn, Schwestern oder Freund:innen. Am Ende sind alle stolz auf das, was sie geschaffen haben. Wenn sie dann mit leuchtenden Augen ihren Duft in den Händen halten, macht das auch mich glücklich.

9. Gab es ein Kundenerlebnis, das Sie besonders berührt hat?

Eines der Erlebnisse, das mir besonders in Erinnerung geblieben ist, war letztlich mit einem Pärchen in einem meiner Workshops. Beide waren sehr interessiert und sind richtig in die Duftwelt eingetaucht. Nach dem Workshop, beim kleinen Apéro zum Abschluss, haben sie ihre Kreationen einander vorgestellt.

Die Frau roch an ihrem Duftstreifen und begann, Parallelen zu sich selbst zu ziehen. Sie sagte zu ihrem Partner: 'Dieses Parfum ist wie ich – vielseitig. Ich rieche Lebendigkeit und Frische, so wie du mich kennengelernt hast. Aber da ist auch Tiefe – die zeigt sich, wenn ich mich öffne.' Es war, als hätte sie sich selbst in dieses kleine Fläschchen hineingepackt und sie war enorm glücklich. Ein Gänsehautmoment.

10. Was wünschen Sie sich in Zukunft?

Ich wünsche mir vor allem etwas mehr Frequenz – Laufkundschaft kann man sich zwar nicht herzaubern, aber ich hoffe, dass noch mehr Menschen den Weg in mein Atelier finden. Mein Wunsch ist, dass sie bewusst kommen, um sich ihre Portion Entschleunigung abzuholen. Sich ausklinken aus dem Alltag, eintauchen in die Duftwelt.

Jetzt im Frühling spüre ich, wie die Leute Lust aufs Riechen, aufs Entdecken haben. Auf frische, leichte Düfte. Im Winter waren es vor allem warme, umhüllende Noten wie Sandelholz, etwas, das innerlich wärmt, das gefragt war. Jetzt erwarten uns Zitrusnoten, blumige Akkorde, fruchtige Frische – Düfte, die farbenfroh und lebendig sind. Am meisten freue ich mich aber immer wieder über die schönen Begegnungen mit den Kund:innen.