Bern-Netzwerk Interview: StattLand und Schloss Thun
Übers Eintauchen in Geschichten, Zugänge zur Kulturvermittlung und über Jubiläumsjahre von Fussballclubs: Das Bern-Netzwerk Interview mit Yvonne Wirth vom Schloss Thun und Adrian Schild von StattLand über aktuelle Projekte.
Wir sind im Berner Generationenhaus. Hier werden Themen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft diskutiert, erzählt und inszeniert – darin liegen auch eure Stärken, oder?
Adrian: Ja absolut, wir bei StattLand haben sehr viele Geschichten zu erzählen – über das gegenwärtige Bern, über das vergangene Bern und sogar über das zukünftige Bern. Wir haben reichlich Material und eine tolle Stadt, die unsere Bühne ist.
Yvonne: Auch im Schloss Thun haben wir natürlich zahlreiche Geschichten zu erzählen. Unsere Grundaufgabe als Historisches Museum ist es, als eine Art Schatzkammer der Geschichte(n) das materielle Erbe sämtlicher Generationen zu verwalten. Etwas anders als bei StattLand, bei denen der perfekte Plot im Zentrum steht, ist es bei uns in erster Linie Schloss Thun selbst, oder jeweils ein Bild oder ein (kultur-)historisches Objekt. Wir inszenieren diese so, dass es für Besucher:innen spannend ist. Auf Führungen können Interessierte noch tiefer in die Geschichten eintauchen.
Adrian: Es gibt verschiedene Zugänge, deren wir uns bedienen können. Das Interessante für uns und für unsere Besucher:innen ist, dass wir immer einen Gegenwartsbezug einbringen, mit dem wir die Leute dort abholen können, wo sie sich befinden. Dadurch erzeugen wir Relevanz und genau das ist unser Anspruch.
Adrian Schild
Adrian ist seit 2005 Geschäftsführer vom Verein StattLand und seit letztem Sommer als Bern-Vernetzer im Bern-Netzwerk dabei.
Besucher:innen in Geschichten eintauchen zu lassen ist nach wie vor eine schöne Form der Kulturvermittlung. Was könnt ihr uns dazu sagen?
Adrian: Wir arbeiten nun schon seit gut 30 Jahren mit Schauspieler:innen – das ist eine Form, die relativ eingänglich und gut zugänglich ist. Wir können den Schauspieler:innen auch mal «etwas ins Maul» legen, etwas provozieren, anstelle mehrheitlich nur Facts zu vermitteln.
Yvonne: Genau! Während Corona liessen wir uns von einem anderen Bern-Vernetzer für ein tolles Format mit einem Gespenst inspirieren, dass sich immer mit den Worten «Das, was ich Ihnen jetzt erzähle, ist die Wahrheit» an die Community wandte. Es war offensichtlich, dass nicht immer alles stimmte, aber es brachte mich auf die Idee, bei uns etwas ähnliches zu machen. Als Historisches Museum ist das Spiel mit der Wahrheit immer etwas heikel. Über das Gespenst haben wir einen Zugang gefunden, der das irgendwie möglich macht. Die Führung, die nachts im Museum und mit Taschenlampen stattfindet, auf der das Gespenst dann immer wieder auftaucht, funktioniert sehr gut, ist unterhaltsam und macht Spass. Hier wissen Gäste auch besser, was sie erwartet.
Adrian: Ja, das ist das, was ich vorhin auch mit «ins Maul legen» gemeint habe. Schauspielende können mit der «Wahrheit» freier umgehen. Auch wir suchen immer wieder nach neuen Vermittlungsformen und haben erst kürzlich ein Angebot mit einem etwas anderen Ansatz durchgeführt. Wir haben Besucher:innen auf einen sinnlichen 3D-Audiowalk durch die Räume im PROGR geschickt. Dabei sind sie während genau 64 Minuten alleine, nur mit einer Leitstimme im Ohr, durch die Ateliers gewandelt. Der Aufwand war immens, ähnlich einer Theaterinszenierung, da im Hintergrund viele Hilfspersonen zeitgenau Aktionen auslösen mussten. Das war jedoch eine einmalige Veranstaltung, nicht wie sonst unsere Angebote. Normalerweise bieten wir verschiedene Stadtrundgänge und Besichtigungen sowie Audiowalks an. Für uns sind Audiowalks eine ganz gute Ergänzung und auch eine Art Archivierung – wir nehmen bisherige oder alte Produkte und können sie so noch weiterhin zur Verfügung stellen.
Yvonne: Das finde ich ganz toll. Ihr von StattLand seid immer wieder eine Inspiration für mich. Auch wenn ich das bei uns nicht eins zu eins kopieren kann, ist es doch sehr spannend zu sehen, was andere Akteur:innen in dem Bereich machen. Wir sind trotz mehr als 70'000 Eintritten im Jahr gerade im Hinblick auf die personelle Ausstattung doch eher ein kleines Museum, das eher langsam wächst. Wir verfolgen jedoch in den nächsten fünf Jahren eine neue Strategie, die sich dem Sichtbarmachen auch durch digitale Vermittlung widmet. Und da wird Audio einen grossen Raum einnehmen.
Yvonne Wirth
Yvonne ist seit 2018 Museumsleiterin bei der Stiftung Schloss Thun und freut sich sehr, mit dem Bern-Netzwerk das Schloss Thun näher mit Bern vernetzen zu können.
Ergibt sich hier allenfalls Potenzial in der gemeinsamen Angebotsgestaltung?
Adrian: Ja, wenn wir von digitaler Vermittlung sprechen zum Beispiel. Beim Zuhören des Inputreferats dieser Gaming-Agentur am letzten Bern-Vernetzer Workshop dachte ich immer wieder an die Themen Augmented und Virtual Reality, die in Bern wirklich noch kein grosses Feld einnehmen. Das ist bei uns schon lange Thema, aber für uns alleine einfach eine zu grosse Geschichte. Um so etwas aufziehen zu können, braucht es nicht nur finanziell starke Partner:innen, sondern auch ein grosses Netzwerk. Es könnte durchaus seinen Reiz haben, wenn es jemanden im Netzwerk gibt, der sich mit uns und anderen Institutionen zusammentun möchte, um die Destination Bern virtuell zu inszenieren. So können die Kosten für dieselbe Technologie, die alle dann gleich einsetzen könnten, geteilt werden – Geschichten hätten wir alle.
Yvonne: Auf jeden Fall. Auch schon den Austausch finde ich äusserst spannend. Allein schon, um mal fragen zu können, was das Preisschild bei verschiedenen Lösungen ist, welche Erfahrungen mit welchen Anbieter:innen gemacht wurden – man fängt somit vielfach nicht bei null an und erhält vertrauensvolle Informationen.
Gibt es weitere Anknüpfungspunkte, Möglichkeiten für Präsenzen oder Projekte, die am Entstehen sind?
Yvonne: Auf jeden Fall. Wir haben jetzt im Frühling ein Familienticket, bei dem wir bei uns das Stockhorn mitverkaufen und das Stockhorn uns bei sich mitverkauft. Dies in einer etwas ruhigeren Zeit, auch um zu schauen, ob die Gäste überhaupt vom Schloss Thun aufs Stockhorn gehen und umgekehrt. Das ist schon toll, wenn man bedenkt, dass ich vor ein paar Jahren noch keine persönlichen Kontakt mit dem Team vom Stockhorn hatte. Man kennt sich dank der Austausche mit der Zeit gut und versteht auch besser, was möglich ist und was nicht und warum. Ausserdem gibt es über die Thuner Schultheissen, die Berner Patrizier waren und aus der Mitte des bernischen Grossen Rats gewählt wurden, vielleicht eine Verbindung zum Rathausrundgang von StattLand. Wenn wir zurück in die Gegenwart kommen, sehe ich auch Potenzial für das Fussballthema, mit unserer Wechselausstellung zum 125. Jahre Jubiläum des FC Thun.
Adrian: Der FC Thun feiert auch? Ich habe mich bei einem Bern-Vernetzer Workshop mit dem Bernischen Historischen Museum ausgetauscht, welche ja eine Ausstellung zu 125. Jahre Jubiläum der BSC Young Boys hier in Bern machen. Daraus ergeben hat sich, dass wir nun eine Gruppe von YB-Fans, die aufs Jubiläum hin einen Audiowalk zur YB-Geschichte entwickeln, unterstützen. Dafür sind solche Netzwerktreffen sehr gut und wichtig – in diesen Gesprächen entstehen neue Ideen. Manchmal wird etwas draus, manchmal nicht, was aber auch nichts macht.
Yvonne: Es war von Anfang an mein Ziel, das Schloss Thun besser mit Bern zu vernetzen. Durch das Bern-Netzwerk rücke ich näher an verschiedene Akteur:innen und komme einfacher mit ihnen ins Gespräch. Wir werden gefragt, können uns einbringen und etwas beitragen. Vielleicht sogar mit dem Fussballthema – mit einem Hinweis in der Ausstellung, dass YB auch feiert und welche Angebote es dazu in Bern gibt. Wir kriegen zwar viele Gäste aus Bern, aber ich bin überzeugt, dass es auch andersrum funktioniert. So dass wir Gäste, die sich eher in der Ferienregion Thunersee oder Interlaken bewegen auch auf tolle Angebote in Bern aufmerksam machen und so Frequenzen austauschen können.
Vielen Dank Yvonne und Adrian für die spannenden Einblicke. Wir freuen uns sehr darauf, die Entwicklung des Bern-Netzwerks und die Angebote der Akteur:innen weiter begleiten zu dürfen.